Jungsteinzeitliche Totenhütte


Das Braunschweiger Land, das den westlichen Ausläufer des Nordharzvorlandes bildet, gehört zu den bedeutendsten Kulturlandschaften Deutschlands. Bereits in urgeschichtlichen Zeiten war diese am nordwestlichen Rande Mitteldeutschlands gelegene Region intensiv besiedelt. Besonders im Landkreis Wolfenbüttel sind nahezu aus jeder prähistorischen und historischen Epoche Fundplätze von überregionaler Bedeutung bekannt geworden.

Ausgrabung einer jungsteinzeitlichen Totenhütte bei Remlingen im Landkreis Wolfenbüttel

In unmittelbarer Nähe des Fundortes Remlingen liegt das altneolithische Gräberfeld von Wittmar mit Bestattungen der Linienbandkeramik und der Rössener Kultur. Heute noch weithin im Gelände sichtbar, prägen zahlreiche Grabhügel, wie der Galgen- und der Mescheberg in der Gemeinde Vahlberg, das Bild der Landschaft. Besonders intensiv widmet sich die Forschung derzeit auch den eindrucksvollen Grabenanlagen der Jungsteinzeit, den so genannten Erdwerken. Der Verlauf der Gräben dieser ehemaligen Monumental-Architekturen ist durch Bewuchsmerkmale im Getreide noch heute deutlich erkennbar, beispielsweise bei Niedersickte, Wittmar oder Groß Vahlberg. In die Reihe dieser herausragenden Fundorte fügt sich auch der am Südhang der Asse gelegende Hohberg ein. Hier wurde die erste nichtmegalithische Grabkammer des niedersächsischen Nordharzvorlandes entdeckt und wissenschaftlich untersucht.

Die Stelle auf dem Hohberg bei Remlingen, an der die sogenannte Mauerkammer vor etwa 5000 Jahre erbaut wurde, liegt heute inmitten landwirtschaftlich intensiv genutzter Flächen. So entstand für Besucher der vom Frühjahr bis Herbst 1998 durchgeführten Ausgrabungsarbeiten der romantische Eindruck von einem "Grab im Kornfeld". In der Jungsteinzeit sah die umgebende Landschaft jedoch ganz anders aus als heute. Durch die intensiv betriebene archäologische Prospektion ist im Braunschweiger Land inzwischen ein dichtes Netz aus Siedlungen, Grabanlagen und Erdwerken bekannt, die in ihrer exponierten Lage Zeugnis über die Anwesenheit und das Selbstverständnis der jungsteinzeitlichen Bevölkerung ablegen.

Warum bestatteten die Menschen vor 5000 Jahren ihre Verstorbenen nicht einzeln in Erdgräbern, sondern erbauten große Kammern für eine Totengemeinschaft? Wie ging man mit den Verstorbenen um, und welche Schlüsse lassen sich daraus auf das alltägliche Leben und die religiöse Vorstellungswelt der Menschen dieses Zeitraums ziehen? Dieses sind zentrale Fragen der aktuellen Forschung, die Anlass zur Untersuchung der Grabanlage im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojektes gaben.

"Der Fund der Grabanlage auf dem Hohberg ist für mich so etwas wie sechs Richtige im Lotto; und sechs Richtige im Lotto hat man einmal im Leben und sonst nicht."

Mit diesen Worten des ehrenamtlichen Remlinger Ortsheimatpflegers Norbert Koch endete ein Beitrag über die Grabungsarbeiten auf dem Hohberg bei Remlingen, der in der Reihe "Schatzgräber in Deutschland C14 - Verstoß in versunkene Welten" am 27. Dezember 1998 im ZDF ausgestrahlt wurde. Norbert Koch hatte allen Grund, stolz zu sein, denn er war es, der bereits im Jahre 1981 bei seinen regelmäßigen Feldbegehungen ortsfremde Steine als erste Hinweise auf eine Grabanlage erkannte.

Text von: Dr. Ulrich Dirks und Dr. Silke Grefen-Peters